Singer, Isidor

Singer Isidor, Journalist und Statistiker. Geb. Pest (Budapest, Ungarn), 16. 1. 1857; gest. Wien, 8. 12. 1927; mos.

– Sohn eines Textilgroßhändlers. S., der 1861 mit seinem Vater nach Wien übersiedelte, stud. nach der Matura am kgl. preuß. Stiftsgymn. in Zeitz 1876–77 an der phil. Fak. der Univ.Wien, anschließend bis 1880 Jus (mit Unterbrechung durch Stud. an der Univ. Graz 1878); 1881 Dr. jur., 1885 Priv.Doz. für Statistik an der Univ. Wien, ab 1892 ao. Prof. 1882–84 unternahm S. eine Stud.reise durch Böhmen, deren Ergebnisse er 1885 in seinen „Untersuchungen über die socialen Zustände in den Fabrikbezirken des nordöstlichen Böhmen“ publ. 1893 gem. mit dem Journalisten Heinrich Kanner in den USA, gründete S. im darauffolgenden Jahr mit diesem sowie mit Bahr (s. d.) in Wien die linksliberale und im Naheverhältnis zum Ver. für Sozialpolitik stehende literar. WS „Die Zeit“, die aufgrund ihrer regierungskrit. Haltung auch mehrmals Repressionen unterworfen war. 1902 erfolgte die Umwandlung in eine Tagesztg. in Form einer AG, u. a. unter Mitwirkung von M. Hainisch und E. Philippovich v. Philippsberg (beide s. d.). Aufwendig, mit neuen amerikan. Reklamemethoden beworben, kämpfte die Ztg. jedoch bald mit wirtschaftl. Schwierigkeiten. 1914 erfolgte die Entschuldung durch die Umwandlung in eine GmbH, doch die nach Kriegsbeginn auftretenden Schwierigkeiten aufgrund der pazifist.-serbenfreundl. Haltung des Bl. und der Unterstützung der Friedensinitiative um Meinl (s. d.), gipfelten im Dezember 1917 im zwangsweisen Verkauf der Ztg.: S. mußte Österr. verlassen, sich verpflichten, von jegl. journalist. Tätigkeit Abstand zu nehmen, und ging in die Schweiz. 1920 nach Wien zurückgekehrt, übers. er u. a. Werke Upton Sinclairs, so 1921 „The Brass Check“, für das er auch das Vorwort verf., 1922 „The Profits of Religion“, sowie 1924 „The American Commonwealth“ von James Bryce. Er starb schwer verschuldet.


Werke: Über die socialen Verhältnisse in Ostasien, 1882; Die amerikan. Bahnen und ihre Bedeutung für die Weltwirtschaft, 1909; Die amerikan. Stahlind. und der Weltkrieg, 1917; etc.
Literatur: Hdb. jüd. AutorInnen; Jew. Enc. (auch Internetausg.); Jüd. Lex.; Kürschner, Gel.Kal., 1925f.; Wininger; F. M. Rebhann, Die Zeit. Ein hist. Abriss, phil. Diss.Wien, 1948; A. Durstmüller d. J. – N. Frank, 500 Jahre Druck in Österr. 2, 1985, S. 382; E. Walter, Die Funktion journalist. Opposition. Die Leitartikel der Tagesztg. „Die Zeit“ …, phil. Diss. Wien, 1988, bes. S. 13ff.; dies., Österr. Tagesztg. der Jh.wende, 1994, s. Reg.; IKG, UA, beide Wien; Mitt. Gerhard Wasshuber, Wien.
Autor: (P. P. Sint)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 57, 2004), S. 296
geboren in Budapest
gestorben in Wien

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