Mahler, Gustav

Mahler Gustav, Komponist und Dirigent. * Kalischt (Kalište, Böhmen), 7. 7. 1860; † Wien, 18. 5. 1911.

Seine Lehrer am Wr. Konservatorium 1875–78 waren J. Epstein, s. d. (Klavier), R. Fuchs, s. d. (Harmonielehre) und F. Krenn, s. d. (Komposition). 1877–79 hörte er Vorlesungen über Phil. und Musikgeschichte an der Univ. Wien. In dieser Zeit ergaben sich freundschaftliche Beziehungen zu A. Bruckner (s. d.). Zu M.s Konservatoriumskollegen gehörten H. Wolf, H. Rott und die Brüder Krzyzanowski. M. entschied sich für die Kapellmeisterlaufbahn und erwarb die notwendigen Erfahrungen an den Theatern von Bad Hall, Laibach und Olmütz. 1883–85 war er kgl. Musikdir. am Kasseler Operntheater. Hier erwies sich zum ersten Mal die überragende Bedeutung M.s als reproduzierender Künstler. Die weiteren Stationen seiner steil aufwärts führenden Karriere waren: 1885 Prag, 1886–88 Leipzig (neben Nikisch), 1888–91 Operndir. in Budapest, 1891–96 Erster Kapellmeister am Hamburger Stadttheater. 1897–1907 Hofoperndir. in Wien. Nach seinem Rücktritt lebte M. abwechselnd in den USA, wo er Konzerte und Opernaufführungen dirigierte, und in Österr., wo er die Sommermonate verbrachte. Ein letzter Höhepunkt seines Lebens war die Uraufführung der 8. Symphonie unter seiner Leitung am 12. 9. 1910 in München. Er war ab 1902 mit Alma Maria Schindler, der Tochter des Malers Jakob Emil Schindler, verheiratet. Als einer der berühmtesten Dirigenten seiner Zeit vertrat M. den Typus des nervösen, sensiblen Künstlers der Jahrhundertwende. Er nahm sich besonders der Werke Wagners, Mozarts und Lortzings, aber auch der damals modernen Künstler an. Die Ära seiner Dion. an der Wr. Hofoper, gekennzeichnet durch intensivste Erfüllung der Idee eines Gesamtkunstwerks, gilt als legendäre goldene Zeit des Opernlebens. Schon in seinen wenigen erhaltenen Jugendwerken (viele Kompositionen der Frühzeit hat M. selbst vernichtet) lassen sich wesentliche Komponenten von M.s Stil erkennen: eine fast schwärmer. Hinwendung zu volkstümlich romant. Geist, gleich daneben aber eine krit. Synopse europ. Musiktraditionen. Diese letzte Zusammenschau vor den großen Katastrophen unseres Jh. trägt aber bereits den Keim zu einer Auflösung des herkömmlichen Musikgutes in sich. Damit wurde M. zu einem der wichtigsten Anreger für die neue Musik seit Schönberg.


Literatur: G. M., Briefe 1879–1911, 1924; N. Fr. Pr. vom 11. 5. 1913 und 25. 4. 1915; Der Merker, Jg. 3, 1912, S. 182 f.; Musikbll. des Anbruch, Jg. 1, 1919, S. 16 ff., Jg. 2, 1920, S. 262 ff., 301 ff., Jg. 4, 1922, S. 257; Melos, Jg. 1, 1920, S. 134 ff.; Die Musik, Jg. 20, 1928, n. 11; Stud. zur Musikwiss., Bd. 16, 1929, S. 116 ff., Bd. 17, 1930, S. 105 ff.; Schweizer. Musztg., Jg. 70, 1930, S. 559 ff.; Der Auftakt, Jg. 14, 1934, S. 200 ff., Jg. 16, 1936, S. 114 ff.; Chord and Discord (Mahlerz.), 1932 ff.; The Music Review, Jg. 1, 1940, n. 1; Die Musikforschung, Jg. 8, 1955, S. 169 ff., Jg. 9, 1956, S. 156 ff.; Neue dt. Rundschau, Jg. 71, 1960, n. 2; Österr. Musikz., Jg. 15, 1960, n. 6; L. Schiedermair, G. M., 1900; P. Stefan, G. M., 1910; R. Specht, G. M., 1913; G. Adler, G. M., 1916; A. Neisser, G. M., 1918; H. F. Redlich, G.M., eine Erkenntnis, 1919; R. Mengelberg, G. M., 1923; W. Hutschenruyter, G. M., 1927; N. Loeser, G. M., 1950; B. Walter, G. M., 1957; D. Mitchell, G. M. The Early Years, 1958; J. Matter, M., 1959; H. Chr. Worbs, G. M., 1960; Th. W. Adorno, M., eine musikal. Physiognomik, 1960; G. M. — Eine Smlg. von Reden und Aufsätzen, 1967; K. Blaukopf, G. M., 1968: P. Stefan, G. M. Ein Bild seiner Persönlichkeit in Widmungen, 1910; N. Bauer-Lechner, Erinnerungen an G. M., 1923; A. M. Mahler, G. M., Erinnerungen und Briefe, 1940, Neuaufl. 1949; O. Klemperer, Meine Erinnerungen an G. M., 1960; W. Reich, G. M. im eigenen Wort — im Wort der Freunde, 1958; P. Stefan, G. M.s Erbe, 1908; P. Stauber, Das wahre Erbe M.s, 1909; D. Newlin, Bruckner- M.-Schönberg, 1954; H. F. Redlich, Bruckner and M., 1955; L. Karpath, Begegnung mit dem Genius (Erinnerungen an Bruckner, Brahms und M.), 1934; A. Roller, Die Bildnisse von G. M., 1922; P. Bekker, G. M.s Sinfonien, 1921; M.s Symphonien erläutert. in: Schlesingersche Musikbibl., n. 10, o. J.; A. Schibler, Zum Werk G. M.s, 1955; H. Schmidt, Formprobleme und Entwicklungslinien in G. M.s Sinfonien, phil. Diss. Wien, 1929; H. Tischler, Die Harmonik in den Werken G.M.s, phil. Diss. Wien, 1937; A. Schaefers, G. M.s Instrumentation, phil. Diss. Bonn, 1933; Die Musik in Geschichte und Gegenwart; Grove; Riemann; Wininger; N. Österr. Biographie, Bd. 13, 1959; Biograph. Jb., 1914; Die großen Dt., hrsg. von H. Heimpel, Th. Heuss und B. Reifenberg, Bd. 4, 1957; A. Przistaupinsky, 50 Jahre Wr. Operntheater, 1919; H. Kralik, Das Opernhaus am Ring, 1955; M. Graf, Geschichte und Geist der modernen Musik, 1953; A. Schönberg, Style and Idea, 1950; P. Stefan, Das Grab in Wien, 1913.
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 25, 1972), S. 411f.
geboren in Kaliště
gestorben in Wien

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