Schoeller, Paul Eduard von

Schoeller Paul Eduard von, Großindustrieller. Geb. Wien, 15. 6. 1853; gest. ebenda, 2. 11. 1920.

Aus der Wr. Linie der Industriellenfamilie S., Sohn von (Johann) Paul v. S. (geb. Düren, Frankreich/Deutschland, 27. 3. 1808; gest. Wien, 4. 11. 1882), der, 1867 nob., Mitinhaber der Großhandlung „Schoeller & Co.“ war, Neffe von (Wilhelm) Alexander, Bruder von Philipp Wilhelm d. J., Cousin von Gustav Adolph v. S. (alle s. d.); evang. HB. Nach dem Stud. am Eidgenöss. Polytechnikum in Zürich trat S. 1874 in die Fa. seines Onkels Alexander v. S. ein und wurde von diesem in der zweiten Hälfte der 70er Jahre mit der Leitung der Ebenfurther Mühle – v. a. infolge der ung. Konkurrenz einer der Problembetriebe der Fa. – betraut, die er wesentl. modernisieren und ausbauen konnte. Dazu gehörte auch der Bau und Betrieb der Eisenbahnlinie Wittmannsdorf–Leobersdorf–Ebenfurth, für die S. 1882 die Konzession erhielt. 1894 wurde der Mühlenbetrieb durch den Zukauf der „Wiener Bäcker-Dampfmühle“ erweitert. Ab 1883 öff. Gesellschafter der Fa. „Schoeller & Co.“, wurde S. gem. mit seinem Bruder Philipp Wilhelm von seinem Onkel Alexander als Universalerbe eingesetzt und war nach dem Tod von Gustav Adolph v. S. ab 1889 Mitinhaber des Großhandlungshauses „Schoeller & Co.“ in Wien. Da sich sein Bruder immer mehr von der Geschäftsführung zurückzog, übernahm S. schon nach wenigen Jahren die alleinige Leitung des Unternehmens. Er verstand es, das Lebenswerk seines Onkels erfolgreich fortzusetzen, unter seiner Führung erreichte das Haus S. seine größte wirtschaftl. Ausdehnung und Bedeutung. Einen der Schwerpunkte der S.schen Unternehmensstrategie stellte die Expansion auf dem Stahlsektor dar. Das Ternitzer Werk wurde 1889 als „Ternitzer Stahl- und Eisenwerke von Schoeller & Co.“ ganz in Familienbesitz übernommen und in der Folge durch Einführung der Elektrizität und des Siemens-Martin-Verfahrens modernisiert und erweitert. Im Rahmen der AG „Schoeller & Co.“ war S. u. a. auch Präs. der Leipnik-Lundenburger Zuckerfabriken AG, der Granthaler Zuckerfabriken AG, der Hütteldorfer Bierbrauerei AG (in der er 1898 seinen Bruder ablöste) sowie der Wr. und Ebenfurther Dampfmühle. Daneben war er auch Mitgl. zahlreicher Verwaltungs- und Aufsichtsräte in Ind.-, Handels- und Bankbetrieben, wie der Bodencreditanstalt, der 1. Ung. allg. Assekuranzges. und der Nord-West-Bahn. S. hatte auch als Interessenvertreter führende Positionen inne: So machte er sich als Präs. der Börse für landwirtschaftl. Produkte (1895–1919, danach Ehrenpräs.) um deren Neuorganisation sowie um die Aufrechterhaltung der großen Saatenmärkte in Wien verdient und wurde 1902 in die nö. Handels- und Gewerbekammer gewählt, deren Präs. er ab 1909 war. 1903–09 war S. auch Präs. des Zentralverbands der Industriellen Österr., wurde 1904 Mitgl. des Ind.Rates im Handelsmin. und legte als Mitgl. der Stud.Komm. der 1898 gegründeten Exportakad. bes. Augenmerk auf die Exportförderung. Ab 1892 vertrat er die Interessen Großbritanniens als Generalkonsul in Wien, wofür er von brit. Seite hohe Ausz. erhielt. 1902 lebenslängl. Mitgl. des Herrenhauses (Verfassungspartei), wurde er 1907 als Experte in die Staatsschuldenkontrollkomm. entsandt. Während des Ersten Weltkriegs war er Mitgl. der handelspolit. Komm. Wiens, die sich bes. mit den Problemen der Lebensmittelversorgung der Hauptstadt beschäftigte. Noch 1918 Geh. Rat. Aufgrund seines Interesses am gewerbl. Ausst.Wesen gehörte S. nicht nur dem Kuratorium des Handelsmus. an (ab 1892), sondern war 1907 auch Mitbegründer des Techn. Mus. für Ind. und Gewerbe (ab 1912 Vizepräs. von dessen Mus.Ver.) sowie Mitgl. vieler in- und ausländ. Ausst.-Komm., u. a. auch einiger Weltausst. Als Kunstmäzen und Kurator des Oesterr. Mus. für Kunst und Ind. (1903–08) förderte er insbes. die bildende Kunst. Auch sozial engagiert, war S. einer der Stifter sowie Kuratoriumsmitgl. der 1898 ins Leben gerufenen K. Franz Joseph I. Jubiläumsstiftung für Volkswohnungen und Wohlfahrtseinrichtungen sowie Präs. der Lungenheilanstalt Alland; während des Ersten Weltkriegs stellte er einen Teil seines Wr. Palais als Spital zur Verfügung. 1916 folgte er seinem Bruder als Presbyter der Evang. Gmd. HB nach.


Literatur: N. Fr. Pr., 16. 12. 1902, 3. und 4. 11. 1920; NWT, Wr. Ztg., 3. 11. 1920; Die Ind., Festn. 1912, S. 6, 16 (mit Bild); G. Kolmer, Das Herrenhaus des österr. Reichsrats, 1907, S. 296; Der k. k. österr. Franz Joseph-Orden und seine Mitgl., hrsg. von Leo Hirsch, 1912, S. XXX (mit Bild); H. Frh. v. Dumreicher, 100 Jahre Haus S., 2. Aufl. 1934, S. 22ff., 50f. (mit Bild); W. Weckbecker, in: N. Österr. Biogr. 8, 1935, S. 167ff. (mit Bild); H. Benedikt, A. v. Schoeller …, 1958, bes. S. 116, 118, 180, 185, 189; V. Schützenhofer, in: FS 50 Jahre Techn. Mus. für Ind. und Gewerbe in Wien, (1968), S. 65; M. Habacher, in: Bll. für Technikgeschichte 30, 1968, S. 4, 26, 31, 50; Die evang. Gmd. H.B. in Wien, hrsg. von P. Karner, 1986, S. 88; F. Mathis, Big Business in Österr., 1, 1987, S. 260; Schoeller-Bleckmann. Ber. zum 100jährigen Bestand der Edelstahlwerke, o. J., S. 21f.; HHStA, Wien.
Autor: (Ch. Mentschl)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 51, 1995), S. 23f.
geboren in Wien
gestorben in Wien

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