Schröer, Karl Julius

Schröer Karl Julius, Ps. K(arl) Julius, Julius Oeser d. J., Germanist und Volkskundler. Geb. Preßburg/Pozsony, Ungarn (Bratislava, Slowakei), 11. 1. 1825; gest. Wien, 16. 12. 1900.

Sohn von Tobias Gottfried und Therese S., Vater von (Michael Martin) Arnold und Rudolf S. (alle s. d.) sowie von Robert S. (s. u. Rudolf S.), Schwiegervater von August Mojsisovics v. Mojsvár, Großvater von Karl J. H. Revy (beide s. d.); evang. AB. Nach Absolv. des Preßburger Lyzeums stud. S. 1843–44 an der Univ. Leipzig nominell Theol., vornehml. jedoch klass. und dt. Philol., 1844–45 an der Univ. Halle dt. Philol., Theol. und Phil.; das Wintersemester 1845/46 verbrachte er in Berlin mit belletrist. und Kunststud. Nach Preßburg zurückgekehrt, vertrat er 1846–49 seinen kränkelnden Vater als Supplent der dt. Literaturgeschichte am evang. Lyzeum. Wie sein Vater gehörte auch er dem reichserhaltenden Deutschtum an. 1847 trat S. mit seiner ersten größeren Veröff., der gem. mit Rudolf v. Beyer (s. d.) hrsg. Anthol. „Donauhafen“, hervor, 1848 und 1849 veröff. er Artikel in der „Presse“, der „Preßburger Zeitung“ und „Pester Zeitung“. Seine journalist. Tätigkeit erregte die Aufmerksamkeit Karl Frh. Geringers v. Ödenberg, des späteren k. Hofkoär. für Zivilangelegenheiten in Ungarn, durch den er während des Ungarnfeldzugs 1849 zu FZM Haynau (s. d.) als Sekretär kam. Noch im selben Jahr wurde S., weiterhin durch Geringer gefördert, zum suppl. Prof. der dt. Literatur an der Pester Univ. ernannt, konnte sich jedoch an dieser als Protestant nicht auf Dauer halten, sodaß er 1852 um seine Versetzung an die Preßburger Oberrealschule, die erste öff. vollständige und konfessionell-simultane Realschule in der Österr.-ung. Monarchie, ansuchte, wo er bis 1861 blieb. In diesem Jahrzehnt begann S., mit eigenen dichter. Versuchen eher erfolglos hervortretend, neben seiner didakt. Tätigkeit als erster mit der systemat. Erforschung des Ungarndeutschtums, indem sich sein Interesse auf Volksdichtung, Volksleben und Volkssprache richtete. In der Nähe von Preßburg nahm er die „Oberuferer Weihnachtsspiele“ auf (veröff. 1858, 2. Aufl. 1862), ferner lieferte er im Sinne der „Zeitschrift für Mythologie und Sittenkunde“ Beitrr. aus dem deutschsprachigen Gebiet des hist. Westungarn und stellte Wörterbuch und Grammatik der dt. Berglandmundarten des hist. Nordungarn zusammen, wofür er – damals durchaus nicht selbstverständl. – weite Fahrten auf sich nahm. Das letzte große Werk auf diesem Sektor widmete er der Erforschung der Gottschee, die er 1867 bereiste („Wörterbuch der Mundart von Gottschee …“, 1870). Nachdem er Preßburg, z. Tl. durch die fortschreitende Magyarisierung aus seinem Amt verdrängt, verlassen hatte, wirkte S. 1861–66 als Dir. der evang. Schulen der Wr. Schwesterngmd. AB und HB und entfaltete als solcher eine Reihe von schulreformer. Aktivitäten. Unter seiner Ära wurde nicht nur der Neubau des Schulhauses am Karlsplatz fertiggestellt (1862), sondern es wurden auch weitere Filialen gegründet, der Lehrkörper insgesamt vergrößert. Einen Tl. seiner zahlreichen pädagog. Schriften veröff. S. später ges. in „Unterrichtsfragen“ (1873, 2. Aufl. 1876); er beschäftigte sich mit Problemen des dt. Sprach- und Literaturunterrichts, nahm aber auch an der Diskussion über die dt. Orthographie regen publizist. Anteil. Seine letzte Anstellung fand S. am Polytechn. Inst. (ab 1872 Techn. Hochschule) in Wien, zunächst ab 1866 als Doz., ab 1867 als ao. Prof. und 1891 bis zu seiner Emer. 1895 als o. Prof. Er hielt in 58 Semestern rund 180 Vorlesungen, wobei bes. die Tatsache Aufsehen erregte, daß er regelmäßig auch Vorlesungen über „Die Dichtung des 19. Jahrhunderts“ hielt und diese auch hrsg. (1875). 1867–76 war er auch Mitgl. der Lehramtsprüfungskomm., 1870–73 des Landesschulrats für NÖ; 1871 Dr. h. c. der Univ. Rostock. Die letzten 25 Jahre seines Lebens widmete S., der mit zahlreichen literar. und wiss. Autoritäten des In- und Auslandes in Beziehung stand, fast ausschließl. der Goetheforschung, u. a. durch Mitarbeit an Werksausg. (im Rahmen von „Kürschners National-Literatur“, an der Weimarer Ausg. von Goethes Werken), durch Anregung zur Hrsg. von Goethes naturwiss. Schriften seitens S.s Schüler Rudolf Steiner, aber auch durch zahlreiche eigene Publ. zu Goethe und dessen Werk (mehrfach aufgelegt die kommentierte Ausg. „Faust von Goethe“, 2 Bde., Erstaufl. 1881). S. war auch Anreger und Mitbegründer sowie stellv. Vorstand des Wr. Goethe-Ver., der ältesten Goethe-Ges. Europas (1878), deren „Chronik“ er 1886–94 hrsg. und red., und trat unermüdl. publizist. für die Errichtung eines Wr. Goethe-Denkmals ein.


Werke: s. u. bei Streitfeld, K. J. S.
Literatur: Kosch, 3. Aufl.; Chr. Oeser’s – T. G. Schröer’s Lebenserinnerungen, hrsg. von A. und R. Schröer und R. Zilchert (= Schriften des Dt. Ausland-Inst. Stuttgart D/6), 1933 (mit Bildern); E. Streitfeld, K. J. S. Beitrr. zur Kenntnis seines Lebens und seiner Werke, 3 Bde., phil. Diss. Graz, 1971 (mit Bildern, Werks- und Literaturverzeichnis), 1 (= Ungarndt. Stud. 4), 1986; ders., in: Acta Linguistica Acad. Scientiarum Hungaricae 23, 1973, S. 139ff. (mit Bild); ders., in: Volksschauspiel, Volksstück, Mundarttheater. … Ein Tagungsber. (= Jb. des Josef Reichl-Bundes 2), 1975, S. 47ff.; Die Oberuferer Weihnachtsspiele im Urtext, hrsg. von H. Sembdner, 1977; L. Schmidt, Das alte Volksschauspiel des Burgenlandes (= Theatergeschichte Österr. 8/1), 1980; E. Streitfeld, in: Karpaten-Jb. 36, 1985, S. 41ff., 133 (mit Bild); D. Sixel, Schicksalswege im Wandel der Zeit. K. J. S., 1987; W. Beck, K. J. S., 1993 (mit Bildern); V. Glosíková, Hdb. der deutschsprachigen Schriftsteller aus dem Gebiet der Slowakei (17.–20. Jh.) (= Sbb. Wien, phil.-hist. Kl. 625), 1995.
Autor: (E. Streitfeld)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 53, 1998), S. 238f.
geboren in Pressburg
gestorben in Wien

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