Sohn eines Knopfmachermeisters, Vater des Ferdinand August Eduard S. (s. d.); evang. AB. Nach Besuch der Bürgerschule und einiger Kl. des Kneiphofschen Domgymn. in seiner Heimatstadt trat S. als Lehrling in eine Apotheke in Gerdauen (Teleznodorožnyi) in der Nähe von Königsberg ein, wo er 1819 die Gehilfenprüfung ablegte. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Apothekergehilfe in den Städten Fischhausen (Primorsk), Königsberg, Elbing (Elblag) und Danzig (Gdansk), in denen er sich stets auch für die dortige Flora interessierte, ließ sich S. ab 1825 für längere Zeit in Königsberg nieder, trat hier in eine Apotheke ein und stud. an der Univ. vier Jahre Pharmazie und Chemie. Zur Weiterführung seines Stud. begab er sich an die Univ. Berlin, an der er 1831 die Apothekerprüfung 1. Kl. ablegte. Sein Vorhaben, mit der Arbeit „Metamorphosis plantarum secundum sententiam hodie praevalentem exposita atque exemplis illustrata“ 1833 die Doktorwürde zu erlangen, schlug indes fehl. Wohl im gleichen Jahr begab sich S. aus Furcht vor der in Berlin grassierenden Cholera nach Liesing b. Wien, wo er bis 1838 in einer Fabrik als Chemiker arbeitete. Nach der 1835 mit seiner Diss. über die Metamorphose der Pflanzen an der Univ. Jena erfolgten Prom. gründete S. 1839 eine chem. Fa. in Inzersdorf b. Wien, die aber bereits 1842 wieder schließen mußte. Auch seine Versuche, sich in Preßburg sowie in St. Georgen (Svatý Jur) an industriellen Unternehmungen zu beteiligen, scheiterten. 1845 wurde S. für die Anlage und Dion. einer Chemikalien- und Schwefelsäurefabrik nach Hermannstadt/Nagyszeben (Sibiu) berufen, wo er sich neben seiner berufl. Tätigkeit botan. Stud. zuwandte und u. a. die Gründung des Siebenbürg. Ver. für Naturwiss. zu Hermannstadt (1849) unterstützte. Auf zahlreichen Exkursionen legte er ein über 50.000 Pflanzenbelege umfassendes Herbarium an, das ihm als Grundlage für viele wiss. Arbeiten diente. Während einer 1853 durchgeführten, vom damaligen Gouverneur von Siebenbürgen, Fürst Carl Borromäus Schwarzenberg, finanzierten botan. Rundreise durch Siebenbürgen sammelte S. etwa 2.300 Arten. Im Sommer des gleichen Jahres trat er eine Stellung am Honterus-Gymn. zu Kronstadt/Brassó (Brasov) als Lehrer für Chemie und Naturgeschichte an, die er aber 1854 wieder aufgab, um nach Wien zurückzukehren, wo er zeitweise an der Handelsakad. unterrichtete. Hier setzte S. die Aufarbeitung und Überprüfung seines siebenbürg. Herbars fort, das ihm für die Abfassung seines Hauptwerks, „Enumeratio plantarum Tanssilvaniae, exhibens: stirpes phanerogamas sponte crescentes atque frequentius cultas, cryptogamas vasculares, characeas etiam muscos hepaticasque“, diente, das er 1866 auf eigene Kosten in Druck gehen ließ. Seine pekuniären Verhältnisse zwangen ihn bereits 1861, das wertvolle Herbarium an die Univ. Lemberg zu veräußern, wo es sich auch heute noch befindet. 1869 übersiedelte S. zu seinem Sohn Ferdinand August Eduard S. nach Brünn (Brno), dem er, als dieser eine Stellung als evang. Pfarrer in Bielitz erhalten hatte, auch dorthin nachfolgte, wo er an den Folgen einer Lungenentzündung verstarb. Obwohl S. wegen der großen Anzahl von Pflanzenarten, die er in seiner „Enumeratio“ für Siebenbürgen beschrieben hatte, von einigen Botanikern als „Speciesmacher“ heftig angegriffen wurde, leistete er einen ungewöhnl. großen Beitr. zur Erforschung der Flora dieses Landes.
Werke: s. u. bei Speta, 1994.
Literatur: Révai; Trausch, s. Reg.; A. Kanitz, in: Magyar növénytani lapok 2, 1876, S. 81ff.; J. Römer, in: Verhh. und Mitt. des Siebenbürg. Ver. für Naturwiss. zu Hermannstadt 43, 1894, S. 1ff.; R. Steinbach, Österr. Botaniker des 19. Jh., die nicht an Hochschulen wirkten, phil. Diss. Wien, 1959, S. 136ff.; H. Heltmann, in: Forschungen zur Volks- und Landeskde. 9, 1966, n. 2, S. 115ff.; ders., in: Muzeul Bruckenthal. Studii si communicari 15, 1970, S. 97ff.; M. I. Doltu – E. Schneider-Binder, ebenda, 15, 1970, S. 215ff.; G. Rácz – W. Voik, in: Österr. Apotheker-Ztg. 31, 1977, S. 889f.; H. Heltmann, in: Naturwiss. Forschungen über Siebenbürgen 2 (= Siebenbürg. Archiv 18), 1984, S. 16f.; Lex. der Siebenbürger Sachsen, hrsg. von W. Myß, 1993, S. 461f. (mit Bild); F. Speta, Leben und Werk von F. S. (= Stapfia 32), 1994 (mit Bild, Werks- und Literaturverzeichnis); F. Speta, Nachtrr. zu „Leben und Werk von Ferdinand Schur“, in: Beitrr. zur naturwiss. Erforschung Siebenbürgens 6, hrsg. von H. Heltmann und F. Speta (= Stapfia 45), 1996, S. 381ff.; H. Heltmann, in: Siebenbürgen in der Habsburgermonarchie. Vom Leopoldinum bis zum Ausgleich (= Siebenbürg. Archiv 34), 1999, S. 221ff.
Autor: (H. Heltmann)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 54, 1999), S. 375f.