Seligmann, Franz Romeo

Seligmann Franz Romeo (Abraham, Romeo), Orientalist, Epidemiologe und Medizinhistoriker. Geb. Nikolsburg, Mähren (Mikulov, Tschechien), 30. 6. 1808; gest. Wien, 15. 9. 1892; mos., später röm.-kath.

Sohn von Isak, Bruder von Franz S. und Leopold v. S. (beide s. d.), Vater von Adalbert Franz S. (s. d.). Nach Absolv. des Piaristengymn. stud. S. ab 1825 Med. und Philol. an der Univ. Wien und erlernte die pers. Sprache; 1830 Dr. med. Als Thema für seine Diss. wählte er eine in der Hofbibl. befindl. pers. Hs. pharmakolog. Inhalts. Unter dem Titel „De re medica Persarum“ veröff. er den ersten Tl. der Hs. in latein. Sprache, später publ. er einen Auszug des zweiten Tl. unter dem Titel „Liber Fundamentorum Pharmacologiae Auctore Abu Mansur“ sowie eine dt. Broschüre „Über drei höchst seltene persische Handschriften“, 1833. Letztere behandelte zusätzl. zur genannten Hs. zwei pers. Mss. aus dem Besitz des Orientalisten Hammer-Purgstall (s. d.). 1830–32 in Südmähren als Choleraarzt tätig, habil. sich S., nach Wien zurückgekehrt, 1833 für Geschichte der Med. und begann seine Vorlesungstätigkeit. Als Sekundararzt im Wr. AKH hielt er ab 1848 auch Vorlesungen über Cholera und die med. Hodegetik. Als ao. Prof. (1848) war S.maßgebl. an der Gründung der Lehrkanzel für Geschichte der Med. in Wien 1850 beteiligt. In späteren Jahren führte er eine Ordination als prakt. Arzt; 1869 o. Prof. Wiss. bearb. er u. a. Heilsysteme bei Volkskrankheiten, rassenkundl., ernährungswiss. und kunstgeschichtl. Fragen. Für seine Stud. reiste er u. a. nach Frankreich, Italien, Dtld. und England. S. beherrschte zahlreiche Sprachen und verkehrte mit Literaten und Musikern, u. a. mit Bauernfeld, seinem Stud.kollegen und engen Freund Feuchtersleben, der ihn in die Wr. Ges. einführte, Grillparzer, Schubert, M. v. Schwind (alle s. d.) sowie Ottilie v. Goethe, deren jahrelanger Vertrauter S. nicht nur in ärztl. Fragen, sondern in allen Lebensbereichen war und mit der er einen regen Briefwechsel führte. 1879 trat S. i. d. R. Ab 1863 war er Mitgl. der Dt. Akad. der Naturforscher Leopoldina und Mitgl. des Jurid.-polit. Lesever.


Werke: Codex Vindobonensis sive medici Abu Mansur Muwaffak Bin Ali Heratensis liber fundamentorum pharmacologiae, Tl. 1/1–2, 1830–59; Götter, Satyrn und Faune, in: Album, ed. F. Witthauer, 1838; Die Heilsysteme und die Volkskrankheiten, 1850; Die Kochanstalt des Wr. allg. Hilfsver., 1852; A. Chenot und seine Zeit, in: Österr. Z. für prakt. Heilkde. 7, 1861, Beilage 24; etc.
Literatur: Czeike; Eisenberg 2; Hirsch; Lesky, s. Reg.; NÖB 6, S. 55ff. (mit Bild); Pagel; Renner, Nachlässe; Wininger; Wurzbach; H. Jäger-Sunstenau, Die geadelten Judenfamilien im vormärzl. Wien, phil. Diss. Wien, 1950, S. 170; O. v. Goethe, Tagebuch 1840–41, 3 Bde., ed. H. Blum (= Österr.-R. 143/145–149/150), 1961, passim; Dt. Akad. der Naturforscher Leopoldina, 1987, S. 154; E. Frh. v. Feuchtersleben, Sämtl. Werke und Briefe, ed. (H. Seidler) – H. Heger, 1, 6 (= Sbb. Wien, phil.-hist. Kl. 490, 695), 1987, 2002, s. Reg.; G. Schmidt – K. Holubar, in: WKW 102, 1990, S. 570ff.; K. Holubar, Symposion für Geschichte der Med. und ärztl. Ethik, 1992, S. 39ff.; Mitt. des Sudetendt. Archivs, F. 108, 1992, S. 47; K. Pisa, E. Frh. v. Feuchtersleben (= Literatur und Leben 52), 1998, s. Reg. (mit Bild); K. Hein, Ottilie v. Goethe ... (= Europ. Hochschulschriften, R. 1/1782), 2001, s. Reg.; AVA, IGM, KA, UA, alle Wien.
Autor: (D. Angetter)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 56, 2002), S. 154f.
geboren in Nikolsburg
gestorben in Wien

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