– Sohn eines Fachlehrers an einer dt. Bürgerschule. Schon während seiner Gymn. zeit in Trebitsch wurde Š. marxist. geprägt, knüpfte erste Kontakte zur Arbeiterbewegung und war auch als Jusstudent an der tschech. Univ. Prag (1898–1904; 1904 Dr. jur.) in diesem Sinne polit. engagiert. Statt Karriere als Jurist zu machen, hatte Š. bald eine führende Rolle in der tschechoslaw. sozialdemokrat. Arbeiterpartei inne. 1899 wurde er Mitgl. der Red., 1908–16 war er verantwortl. Red. der ersten tschech. sozialdemokrat. Tagesztg. „Právo lidu“, 1910–16 Hrsg. der theoret. Z. „Akademie“, wurde 1909 Mitgl. des Exekutivkomitees der sozialdemokrat. Partei und 1911 RR-Abg. Konträr zur öff. Meinung war Š. der Ansicht, daß ein selbständiger tschech. Staat äußeren Einflüssen gegenüber nicht widerstandsfähig genug wäre, und trat daher für eine demokrat. Reorganisierung der Ges. innerhalb der österr.-ung. Monarchie ein. Diese (austromarxist.) Position war auch für Š. s Haltung während des 1. Weltkriegs und für seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den tschech. bürgerl. Politikern bestimmend.1916 war er Mitbegründer und i. d. F. einflußreichstes Mitgl. des Ceský svaz, der die tschech. Positionen innerhalb des RR wahren sollte. Als Vors. des Exekutivkomitees der sozialdemokrat. Partei (ab 1916) lehnte Š. die nationale Radikalisierung, die auch die tschech. Sozialdemokratie erfaßt hatte, ab, weshalb er sich 1917 auf Druck der rechten innerparteil. Opposition von fast allen Parteifunktionen und aus dem öff. Leben zurückziehen mußte. Dennoch war er als Mitgl. des Sozialist. Rats an der Organisation des Generalstreiks im Oktober 1917 beteiligt. Nach dem Umsturz 1918 lehnte er zunächst alle öff. Funktionen ab, stand jedoch ab 1919 an der Spitze der Marxist. Linken innerhalb der sozialdemokrat. Partei. Ab September 1919 war Š. als Korrespondent der „Právo lidu“ in der Schweiz, 1920 besuchte er Sowjetrußland, wo er u. a. Gespräche mit Lenin führte. Nach seiner Rückkehr in die Tschechoslowakei spaltete sich die Marxist. Linke unter seiner Führung 1921 als Kommunist. Partei der Tschechoslowakei von den Sozialdemokraten ab, etablierte sich jedoch im Gegensatz zu anderen kommunist. Parteien Mitteleuropas als Massenpartei. Š. war 1921–24 Mitgl. des Exekutivkomitees, 1924–29 bzw.1936–38 des Zentralkomitees, 1924–29 Mitgl. des Politbüros sowie 1920–29 Abg. der Nationalversmlg. Innerparteil. dominierte Š. bis Ende 1924. Seit 1922 Funktionär der Komintern, zunächst als Mitgl. des Präsidiums, des Sekretariats und des Organisationsbüros des Exekutivkomitees, übersiedelte er 1926 nach Moskau und führte im Auftrag der Komintern zahlreiche internationale Missionen durch. Anfang der 30er Jahre kehrte Š. wieder in die Tschechoslowakei zurück und betrieb als Mitbegründer des Verbands der Freunde der Sowjetunion und als Chefred. von dessen Organ „Svet sovetu“ (1932–33) Propaganda für die Sowjets. Nach erneuter Reisetätigkeit für die Komintern wurde Š. 1935 zum Senator in der Nationalversmlg. gewählt. 1938 versuchte er publizist. und in großen Reden, auf die drohende Gefahr durch das NS- Regime aufmerksam zu machen, zog sich jedoch, gesundheitl. geschwächt, nach dem Münchener Abkommen endgültig nach Moskau zurück.
Werke: W. (auch s. u. Engstová – Ježek; Galandauer, 1986): Výbor z díla, 2 Bde., 1981; etc.
Literatur: Hanzalová; O. Urban, in: Ceskoslovenský casopis historický 11, 1963, S. 432ff.; M. Klír, in: Príspevky k dejinám KSC 4, 1964, S. 651ff., 1965, S. 3ff.; K. Gorovský, in: Revue dejin socialismu 9, 1969, S. 893ff., 10, 1970, S. 112ff.; H. Engstová – A. Ježek, B. Š. Bibliografie 1899–1941, 1970; B. Lazitch, Biographical Dictionary of the Comintern (= Hoover Institution Publ. 121), 1973; J. Šíma, in: Ceskoslovenský casopis historický 27, 1979, S. 660ff.; J. Galandauer, B. Š. 1880–1914, 1–2, 1981 (m. B.); ders., B. Š. 1914–41, 1986 (m. W. und L.); Z. Kárník, Socialisté na rozcestí: Habsburg, Masaryk nebo Š.?, 2. bearb. Aufl. 1996; M. Churan u. a., Kdo byl kdo v našich dejinách ve 20. století, 1998 (m. B.); J. Tomeš u. a., Ceský biografický slovník XX. století 3, 1999.
Autor: (J. Pokorný)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 58, 2005), S. 365f.