Sohn des k. Botschafters Georg Adam Fürst v. S. (1724–1807). S. verbrachte seine Kindheit in Paris, Wien und Brüssel und wurde von Privatlehrern erzogen. Später stud. er an der Univ. Löwen Jus. Ende 1786 kam er nach Österr. und begann 1790 seine diplomat. Karriere am Zarenhof in Moskau. Nach Wien zurückgekehrt, erhielt er den Posten eines ao. Gesandten und bevollmächtigten Ministers im Haag. S. wurde 1793 als Nachfolger von J. Ph. K. Gf. v. Stadion-Warthausen (s. d.) nach London berufen, wo er eine enge Verbindung zwischen Österr. und England aufbauen sollte, insbes. um den gem. Feind Frankreich in die Schranken zu weisen. Um einen dauerhaften Frieden in Europa zu sichern, strebte S. eine möglichst enge Allianz zwischen Österr., Preußen, Rußland und England an. Seine polit. Ansichten waren vom Vorbild Englands und einer konstitutionellen Monarchie geprägt. Als 1807 wegen des für Preußen und Rußland unglückl. Ausgangs des Kriegs eine Wende im polit. Europa deutl. wurde, mußte S. im Sinne Österr. zwischen Frankreich und England vermitteln, doch wurden, da letzteres unnachgiebig war, vom Wr. Hof die diplomat. Beziehungen abgebrochen. Gleichzeitig gelang es ihm jedoch, die Verhh. bezügl. der Zahlung von Subsidien und Gewährung von Anleihen mit dem Londoner Kabinett im Sinne Stadions abzuschließen. Als nach dem Frieden von Schönbrunn die diplomat. Verbindung zu England neuerl. abgebrochen werden mußte, wurde S. Anfang 1810 nach Österr. zurückbeordert. Während der Folgejahre auf seinen Besitzungen in Disponibilität, war S. am Wr. Kongreß zwar anwesend, spielte aber keine polit. Rolle. 1815 ging er über Mailand nach Turin, um den Wr. Hof im Kg.reich Sardinien zu vertreten. 1820 sollte er als Gesandter nach Madrid wechseln, was der Ausbruch der Revolution in Spanien verhinderte. Nach Österr. zurückgekehrt, verbrachte S. seine restl. Lebensjahre als Privatmann. Er war literar. und mus. interessiert, verf. französ. Ged. und spielte ausgezeichnet Flöte. S. stand den Strömungen seiner Zeit sehr aufgeschlossen gegenüber, gründete in Wien Herrenclubs nach engl. Vorbild und gehörte der Freimaurerloge „Zur Neugekrönten Hoffnung“ an. S. legte eine Smlg. engl. Graphik an. 1797 Geh. Rat, 1802 Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies, folgte er 1807 seinem Vater in der Fürstenwürde und erbte dessen umfangreiche Besitzungen, lebte aber nach 1820 in relativ bescheidenen finanziellen Verhältnissen.
Literatur: ADB; Wurzbach; J. Schwerdling, Geschichte des … Hauses S., 1830; A. Thürheim, Briefe des Gf. Mercy-Argenteau … an … Gf. L. S., 1884; ders., L. Fürst S., 1889; G. Heilingsetzer, in: Mitt. des Oö. LA 13, 1981, S. 249ff.; D. P. Varma, in: The Illustrated London News, Christmas 1983, S. 67f.; G. Heilingsetzer, in: MÖStA 40, 1987, S. 158ff.; ders., Oberösterreicher 6, ed. A. Zauner u. a., 1988, S. 21ff. (m. L.); HHStA, Wien; Oö. LA, Linz, OÖ.
Autor: (M. Martischnig)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 59, 2007), S. 104f.