Stöhr, Adolf

Stöhr Adolf, Philosoph und Psychologe. Geb. St. Pölten (NÖ), 24. 2. 1855; gest. Wien, 10. 2. 1921.

S. besuchte das Piaristengymn. in Wien und fungierte im Maturajahr 1873 auf der Wr. Weltausst. als staatl. Dolmetsch für Arab., Pers. und Türk. Entgegen seinem ursprüngl. Wunsch, die Diplomatenlaufbahn einzuschlagen, stud. S. ab 1873 Botanik und Phil. an der Univ. Wien, wo er sich v. a. Kenntnisse im pflanzenphysiolog. Inst. bei Julius Wiesner aneignete; 1880 Dr. phil. Zunächst noch an diesem Inst. tätig, wandte er sein Interesse bald der theoret. Phil. zu. Seine ersten Werke erregten wegen der Fülle der in ihnen enthaltenen Gedanken und der tw. neuen Ansichten über die Grenzen Österr. hinaus Aufsehen; 1885 habil. er sich für theoret. Phil. an der Univ. Wien, wo er Vorlesungen über Geschichte der Phil., Logik, Erkenntnistheorie und Ethik hielt, aber auch den Positivismus des dt. Philosophen Ernst Laas sowie Sprachphil. vortrug. S. pflegte jene Form der experimentellen Phil., die die Naturbeobachtung in den Kreis phil. Betrachtung zog. Als Vortragender im Volksbildungsheim präsentierte er seine phil. Denkansätze auch einem interessierten Laienpublikum. 1889 erschien sein erstes größeres Werk, „Umriss einer Theorie der Namen“. 1900 ao. Prof., bearb. er v. a. Probleme der physiolog. und der phil. Psychol. S. vertrat eine neue Denkpsychol., in der es darum ging, die Gesetze des Denkens aufzuzeigen. Seiner Meinung nach gab es kein falsches Denken, höchstens ein mangelhaftes, und Denkfehler entstünden nur, wenn das Denken fehlte. 1910 o. Prof. und Inhaber der Lehrkanzel für induktive Phil., vertrat er die Ansicht, daß Psychol. und Logik Leitfäden für das prakt. Leben präsentieren sollten. Ebenso befaßte er sich mit theoret. Physik. Als vehementer Vertreter der Exemplifikation dachte er auch in der Mathematik und Physik dynam. und praxisbezogen. Zahlreiche Lehrbücher ergänzen sein wiss. Œuvre, darunter „Leitfaden der Logik in psychologisierender Darstellung“, 1905 (Reprint 2007), „Lehrbuch der Logik“, 1910, oder „Psychologie“, 1917.


Werke: Weitere W. (auch s. u. Eisler; Wer ist’s?): Algebra der Grammatik, 1898; Phil. des Uratoms und des energet. Weltbildes, 1904; etc.
Literatur: NFP, 15. 12. 1910 (A.), 11., 14., 25. 2., 4. 3. 1921; Eisler (m. W.); Kosch; Wer ist’s?, 1906, 1908–09 (beide m. W.); A. Hinrichsen, Das literar. Dtld., 1887; F. F. Worlitzky, Über die Phil. A. S.s mit bes. Berücksichtigung seiner Sprachanalyse und Metaphysik, phil. Diss. Wien, 1952; G. Benetka, in: Spurensuche. Z. für Geschichte der Erwachsenenbildung … 4, 1993, H. 3/4, S. 14ff.; UA, WStLA, Materialiensmlg. ÖBL (m. B.), alle Wien.
Autor: (D. Angetter)
Referenz: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 291f.
geboren in St. Pölten
gestorben in Wien

Lifeline